International
Das Ausfüllen des Urlaubsantrags im Dezember ist eine doppelte Freude: Zum einen weil dank Resturlaub 2018 noch nicht die „neuen“ Urlaubstage 2019 angebrochen werden müssen, zum anderen wurde die Wahl der Destination vom Lieblingsverein abgenommen. Und nach Spanien wird den Störchen doch gerne hinterher gereist. Der Ort für Holsteins Wintertrainingslager ist Oliva Nova, ähnlich wie La Manga im Jahr zuvor eher ein Retorten-Ort für Touristen, dafür aber nur eine Stunde von Valencia entfernt, was ein Plus an Kultur, Kulinarik und guten Kicks bedeutet. Und eigentlich ist schon die Aussicht das trübe, norddeutsche Wintergrau gegen ein wenig Sonnenschein zu tauschen, ein guter Grund die Flüge zu buchen. Dazu wird noch ein Apartment gemietet (die Auswahl an guten Lebensmitteln lädt auch mal zum Selbstkochen ein) und ein Mietwagen gebucht – schon geht die Vorfreude los und man beginnt den Klassiker von Michael Schanze und der Nationalmannschaft zu summen: Olé España!
Sonntagmorgen wird der Wagen am Helmut-Schmidt-Airport abgestellt und mit Zwischenstopp Düsseldorf und die spanische Mittelmeerküste relativ entspannt gereicht. So bleibt nach dem Einkauf der Grundausstattung im Supermercado sogar noch Zeit, beim Training der KSV vorbeizuschauen. Die Besuche beim Training sollten in den folgenden Tagen zu einem festen Ritual werden. Insgesamt viel wirklich auf, wie sehr es Coach Tim Walter schafft, die Jungs zu motivieren - hätten vor einem halben Jahr auch die wenigsten gedacht. Auf der Anlage, die wohl die beste von denen ist, auf der die Störche bisher ihre Winter verbringen durften, sind schon einige bekannte Gesichter auszumachen.
Während die Profis auf dem Rasen schwitzen, lässt man es selbst ruhig angehen. Schließlich wollen die ersten Sonnenstrahlen gebührend genossen werden. Danach geht es in den kleinen Hafenort Gandia – zwischen freundlich-lauten Einheimischen werden in einer kleinen Bar die ersten Tapas und eine kühle Cerveza genossen. Danach ist Zeit fürs Bett – in der noch recht kühlen Mietwohnung unter einem Stapel von Decken. In den Tagen danach sollte die Heizung dann gegen die teils frostigen Nächte ankommen.
Am Montag hieß es Testspiel, Holstein international, Teil 1. Davor wurde allerdings ein wenig die Umgebung erkundet. Unter anderem ging es in die wunderschöne, kleine Hafenstadt Dénia, die neben den verwinkelten Gassen und dem Castillo de Denia (einer ehemals maurischen Festung) vor allem durch die tierischen Einwohner punkten konnte. Sind Eichhörnchen, die Datteln essen, eigentlich Dattelhörnchen?
Nach dem Erklimmen der Festungsanlage hieß es aber schnell zurück nach Oliva Nova, unterwegs noch ein paar Empanadas geshoppt und ab zu Holstein Kiel gegen KV Mechelen. Gegen den den aktuellen Zweiten der 2. Belgischen Liga gab es ein zufriedenstellendes 2:0 durch Tore von Serra und Okugawa. Auch die mitgereisten Nachwuchsstörche machten sich gut und bekamen viel Spielzeit. Die Laune war zu diesem Zeitpunkt durchweg positiv.
Am Dienstag ging es nach nach dem Interview mit Stefan Thesker und Janni Serra (zu lesen hier) nach Calp, ein Ort der mit einem riesigen Kalkfelsen im Meer direkt vor der Stadt und einer Saline, in der Flamingos wild leben, punkten kann. Wäre alles sehr charmant, wenn es den Massentourismus nicht gäbe. Highlight des Tages ist dann die selbstgemachte Paella – feines Teil.
Moixent hieß das Ziel am Mittwoch - das kleine Städtchen erlangte Bekanntheit durch den „Krieger von Mogente“, einer um 500 v. Chr. entstandenen Figur, die 1931 bei Ausgrabungen entdeckt wurde. Über einen steilen Pfad ging es von der Kirche San Pedro Apóstol, von der ein süßlicher Weihrauchduft verströmt wurde, hoch zum Torre Mora (wo es dann nach wildem Rosmarin roch). Anstrengend, aber als Lohn gibt es einen schönen Ausblick auf die Stadt und die alte iberische Festung.
In der Zwischenzeit hatte es eine zweite Kieler Delegation auf die Iberische Halbinsel geschafft – der Umweg über Madrid hatte seine Gründe dabei nicht nur im drohenden Streik einer irischen Billigfluglinie.
Estadio Santiago Bernabéu, 9. Januar 2019, Endstand 3:0
Da bis kurz vor Abflug nicht klar war, ob der Ryanair-Flug nach Valencia auch dem berechtigten Streik der spanischen Flugbegleiter*innen zum Opfer fallen würde, wurde kurzerhand eine Alternative ausgegraben, schließlich bot Star Alliance Mitglied Iberia noch einen Flug nach Madrid für unter 50€ an. Zufällig bestritt der von einigen Fußballkundigen als „größter Verein der Welt“ bezeichnete Club am Ankunftsabend noch ein mehr oder weniger wichtiges Spiel im spanischen Pokal gegen die Vorstädter von CD Leganés. Sicherlich kein Spiel, von dem man seinen Kindern noch erzählen würde, gleichzeitig aber eine preisgünstige Chance, einmal ein Spiel im Bernabéu zu sehen. Schließlich könnte man eben diesen Kindern ebenso nicht erzählen, irgendeinen osteuropäischen unterklassigen Kick, aber nie ein Heimspiel von Real Madrid gesehen zu haben.
Iberia setzte pünktlich im Madrid auf, der Mietwagen konnte nach ein paar Sprachbarrieren auch angeschmissen werden. Der Weg zum Hotel durch die hauptstädtische Rushhour war im Anschluss ein kleines Abenteuer für sich, verstopfte Straßen, riesige Kreisel, wo man öfters von mutigen anderen Verkehrsteilnehmern geschnitten wurde und die tickende Uhr sorgten für ein wenig Spannung. Wenig später waren die überraschend günstig geschossenen Zimmer im Gerner-Hotel bezogen und ab ging’s zu Fuß die 20 Minuten Richtung Bernabéu. Erst im letzten Moment tauchte es zwischen den Häusern auf und ragte doch ziemlich in die Höhe. Die billigen Plätze lagen passender Weise auch ganz oben, sodass vor dem Blick ins Rund noch ein beschwerlicher Weg über Treppen und Rolltreppen angetreten werden musste. So ziemlich jeder Fußballinteressierte dürfte das weite Rund aus diversen Fernsehübertragungen kennen, dennoch hatte man schon oft die Erfahrung gemacht, dass die Eindrücke vor Ort sich doch deutlich von den erwarteten Bildern unterscheiden, so auch hier. Einfach ein riesiges, beeindruckendes Rund, auch wenn heute nicht die ganz große Fußballbühne geboten wurde.
Das Bernabéu ist mittlerweile fast 72 Jahre alt und fasst um die 81.000 Zuschauer. Jahrzehnte zuvor strömten auch schon einmal 125.000 Zuschauer auf die Tribünen, im Zuge der Umwandlung von Stehplätzen in Sitzplätze und einiger anderer Entwicklungen sind es dieser Tage etwas weniger, die natürlich in Champions-League-Spielen und bei Duellen gegen Barcelona oft fünffach verkauft werden könnten. Zum Pokalspiel waren lediglich die Hälfte dieser Plätze besetzt und das bei Preisen von 15€ in der günstigsten Kategorie.
Ein ähnliches Interesse an diesem hatte auch die sportliche Leitung der „Königlichen“, sodass nicht die ganz große Kapelle auf dem Rasen stand. Der Gast aus Leganés spielt seine dritte Saison in Spaniens Primera Division und taucht wenig überraschend eher in der unteren Tabellenhälfte auf. Der Außenseiter wurde von etwa 500 Gästen unterstützt, die von Real im obersten Rang einquartiert wurden und ab und zu auch zu vernehmen waren, allerdings ohne im Gedächtnis zu bleiben. Auf Heimseite sorgten etwa 1000 komplett in weiß auftretende Fans hinter dem Tor für etwas Stimmung. Die „Grada Fans“ wurden vom Verein im Jahre 2014 gegründet, dadurch sollte ein Stimmungsloch verhindert werden, das nach dem Rausschmiss der rechtsextremen Gruppe der „Ultras Sur“ die Stimmung im Bernabéu erwartet worden war. Fans im diesem Sektor bezahlen das Stadionerlebnis nicht nur mit wenigen Euros, sondern eben auch mit zwingender Kleiderordnung und personalisierten Tickets.
Eine kleinere Gruppe der ehemaligen Ultras sorgte dennoch für etwas Stimmung von einem der oberen Ränge, keine Ahnung, ob dies ein regelmäßiges Phänomen darstellt oder diese Leute das schwache Interesse nutzten, um eine größere Anzahl an Tickets zu kaufen, was so im Ligaalltag eher selten möglich sein dürfte. Unten auf dem Feld mühte sich der Gast vergeblich gegen die Übermacht von Real. Madrid musste nicht allzu viel Aufwand betreiben, nach einem Strafstoß kurz vor der Halbzeit und der Führung durch Ramos war die Messe gelesen, Vázquez und Vinicius Junior sorgte für ein standesgemäßen 3:0 im zweiten Durchgang.
Deutlich enttäuschender war im Anschluss allerdings der Fakt, dass der Weg vom Stadion zum Hotel keinerlei Kneipe bereithielt, auch die Hotelbar schenkte nicht mehr aus, eigentlich unfassbar.
Fußball, Fußball, Fußball hieß es dann auch am Donnerstag - aber Zeit für einen kleinen Bummel durch die Altstadt von Oliva und ein kurzer Trip zu den nahegelegenen Thermalquellen war trotzdem. :)
Allmänna Idrottsklubben vs. Hammarby Idrottsförening
Schweden kann was. Nicht nur landschaftlich gehört das größte Land Skandinaviens zu einem der Top-Reiseziele in Europa, auch auf dem grünen Rasen und den Traversen drumherum spielen sich einige erzählenswerte Geschichten ab. Die Erfahrung konnte der Schreiber bereits vor zwei Jahren im Sommer machen, als man zum ersten Mal das Derby in der Hauptstadt des Landes zwischen Hammarby und AIK sah und in Verbindung mit dem wirklich tollen Stockholm ein rundum gelungenes Wochenende verbrachte. Das schrie nach Wiederholung! Man konnte wirklich meinen, der Fußballgott hatte ein Auge auf die Allsvenskan geworfen, schließlich war Hammarby nach Jahren der Erfolglosigkeit wieder on top. Ein paar Spieltage vor Saisonende sollte es zum absoluten Spitzenspiel bei AIK kommen. Das konnte man sich doch nicht entgehen lassen! Doch zunächst hatte man sich noch etwas Vorprogramm herausgesucht. Ursprünglich stand für die Kiel-Hannover-Connection ein Besuch in Helsingborg auf dem Programm, der Verein bat aber kurzfristig um eine Spielverlegung von Freitag auf Sonntag und somit war der Plan dann auch für die Tonne. Schade, Helsingborg ist gerade in der Spitzengruppe der 2. Liga und konnte in den letzten Spielen immer über 5000 Zuschauer begrüßen, für die Superettan ein sehr guter Wert. Nach einem kurzen Besuch in der Unterkunft musste daher mit Ramlösa Södra IF etwas unterklassiger Fußball herhalten. Statt Radau von den Rängen gab es einen Kunstrasen mit zwei kleinen Tribünen, das ging schon klar. Das Niveau war für siebte Liga auch ganz annehmbar, insofern war es ein netter Auftakt für das Wochenende.
Am nächsten Tag ging es nach einem ausgiebigen Mal beim blau-gelben Möbelhaus Richtung Stockholm. Die E4 von der Südspitze Schwedens in die Hauptstadt ist landschaftlich sehenswert und führt unter anderem auch am Vättern, dem zweitgrößten See des Landes, vorbei. Wirklich beeindruckende Aussichten. Das Zwischenziel hieß Nyköping, wo noch ein feiner Drittligakick auf uns wartete. Die Zeit bis zum Kick-Off vertrödelte man noch ein einem großen Sportkomplex, wie es ihn wohl auch in Deutschland keine fünf Male gibt, 4-5 Hallen für unterschiedlichste Sportarten umfasste das Sportzentrum und alle Bereiche waren besetzt. Das ganze steht wohlgemerkt in einer Stadt mit etwas über 30.000 Einwohnern. Für die Hallensportarten interessierten sich am Ende auch deutlich mehr Zuschauer als für das Gekicke auf dem Rasen, das etwa 150 Zuschauer sehen wollten. Neben einer Tribüne auf einer Seite ist der Platz von einem großen Wall umgeben, solche Leichtathletikstadien gibt es in Skandinavien bekanntlich öfter, aber ein gutes Spiel, um die Wartezeit zu verkürzen, da störte es auch herzlich wenig, dass der Gast aus Karlslund durch das 0:2 alle drei Punkte entführte.
Einen kleinen Rundgang durch die Altstadt später ging es zum Centralen, von wo einen der Vorortzug in kurzer Zeit nach Solna brachte. Der Zug war bereits gut gefüllt mit HIF-Fans. In den Gästeblock zog es dann auch den Rest der Crew, man selbst wollte es sich auf den neutralen Plätzen gemütlich machen. Nach fixer Eingangskontrolle ohne jegliches Abtasten hielt der gebuchte Platz, was er versprach: dritter Rang, erste Reihe, beste Sicht.
AIK arbeitete zum Auslaufen der Mannschaften mit ein paar Fackeln und Spruchbändern, die Gäste verglichen das Heimteam mit putzigen Nagern aus der Kanalisation, ließen dann eine Hammarby-Sonne aufgehen und zündeten selbst noch ein paar Dutzend Bengalos! Nicht schlecht für den Anfang, top Auftakt!
Auch das Spiel hatte für die Allsvenskan kein so schlechtes Niveau, Hammarby versuchte mutig nach vorne zu spielen, während AIK defensiv sicher stand und abwartete.
Turn- und Sportgemeinschaft Hoffenheim 1899 II vs. FK 03 Pirmasens
Es ist Anfang August und das anhaltend gute Wetter macht richtig Lust auf ein nettes (verlängertes) Hoppingwochenende. Dann überfliegt man kurz den Kalender, streicht Urlaube, Familienfeste und sonstige Termine heraus und stellt fest, dass bis Ende September mal wieder alles verplant ist. Da hilft alles nichts, ein paar Tage Urlaub müssen dran glauben und die Tour eben in die Woche hinein gelegt werden. Das ist nicht schön und führt vor allem zu einer etwas eingeschränkten Spielauswahl - gerade am Montag – was das Ganze eventuell leicht zusammengeschustert wirken lässt. Aber am Ende stehen dann doch vier Tage mit vier Spielen in drei Ländern.
Es geht von Nürnberg aus gen Westen, und den Auftakt macht am Sonntag die Paarung Hoffenheim II gegen die FK Pirmasens in der Regionalliga Südwest. Im Gegensatz zur ersten Mannschaft spielt die Zwote tatsächlich noch im namensgebenden Sinsheimer Stadtteil Hoffenheim. Fußläufig vom Bahnhof auch gut erreichbar, ist man trotz 1,1km Entfernung schon gut bedient. Mittagszeit, Sommerhitze, ein Rucksack randvoll mit Reisegepäck und die steile Treppe hinauf zum Dietmar-Hopp-Stadion sorgen in einer unheilvollen Allianz für erhöhte Transpiration und einen klatschnassen Rücken.
Und all das für ein Spiel einer „Zweiten“, bei der schon die erste Mannschaft nicht gerade eine übermäßig große Anziehungskraft ausstrahlt. Auch die Gäste haben im Ligavergleich keine der ganz großen Szenen, sodass die Erwartungen nicht allzu hoch sind. Ebenso ist das Stadion ein recht funktional gehaltener Bau.
Die Haupttribüne sticht etwas heraus, der Rest ist von Wellblechoptik dominiert. 5000 Zuschauer passen rein, spärliche 240 sind heute gekommen. Doch tatsächlich können hier einige Dinge punkten: die Feuerwurst ist ihr Geld wirklich wert, die Musikauswahl vor Spielbeginn trifft mit Rock/HardRock-Klassikern ebenfalls meinen Geschmack.
Das kann aber nicht, wirklich in keiner Weise diese bodenlose Frechheit einer Vereins“hymne“ entschuldigen. Billigster Trash im Ballermannstyle garniert Lyrics, die wohl sogar für das Oberbayern zu flach wären. Ein Schundwerk der übelsten Sorte und ich wage mal die Behauptung, dass die „Kompositions“zeit dieses Songs kürzer war als seine Laufzeit. Das sagt eigentlich auch schon alles.
Die gerade zurückgewonnene Laune droht zu verfliegen, doch das Spiel nimmt einem schnell mit. Dass die Tabelle nach gerade einmal drei Spieltagen noch keine Aussagekraft besitzt, zeigt sich hier deutlich. Pirmasens ist 3. mit 7 Punkten, Hoffenheim 15. mit nur einem Zähler auf der Habenseite. Doch die Kraichgaureserve gibt vom Fleck weg Gas und es sind nicht mal 10 Minuten gespielt, da steht es bereits 2-0. Nach einer Viertelstunde gibt es dann auch noch Strafstoß für die Gastgeber und die Gelegenheit zur Vorentscheidung.
Deren Freude steigert sich noch, als wenige Minuten nach Wiederanpfiff der – man muss es so sagen – unverdiente Ausgleich gelingt. Es folgt kurz danach sogar eine Gelegenheit zur erstmaligen Führung, und ich beginne schon gedanklich, diesen Spielbericht um den Knackpunkt des vergebenen Elfmeters herum zu strukturieren, da schlagen die Hoffenheimer zurück. Das 3-2 fällt wenige Zeigerumdrehungen nach dem Ausgleich, bis zur 70. wird das Resultat auf ein komfortables 5-2 erhöht. Es scheint, als habe Pirmasens einfach zu viel investieren müssen, um den Rückstand zu egalisieren. Meist laufen sie jetzt hinterher. Passend dazu einer der älteren Herren in meiner Umgebung im badischen Idiom: „Der hodd den fesdgehalde, hoschd des ned g'sehn?“
Auf dem Rückweg sammle ich dann noch unfreiwillig Material für ein weiteres Kapitel meines bald erscheinenden Buches „111 Wege, einen Zug zu verpassen“: die knapp 20 Minuten von Abpfiff bis zur Abfahrt der S-Bahn um 16:05 Uhr reichen dicke, um zunächst noch das stille Örtchen aufzusuchen. Natürlich ein fataler Fehler. Denn ich treffe zwar rechtzeitig Punkt 16 Uhr am Bahnhof ein, aber eben an Gleis 1. Die S-Bahn fährt an Gleis 2. Zu erreichen nur über den Bahnübergang, denn eine Unterführung gibt es nicht. Und die Bahnschranke ist natürlich bereits unten. Folglich habe ich weitere 60 Minuten Zeit, die Schönheiten eines verlassenen Kleinstadtbahnhofs zu genießen.
Speis und Trank entschädigen etwas für die entstandene Verspätung, wenngleich ich hier noch eine Warnung aussprechen muss: das ausgeschenkte Palmbräu tituliert sich selbst als „Stolz des Kraichgaus“, für meinen Geschmack eine etwas zu vollmundige Ansage des für ein Pils doch arg süßlichen Gesöffs. Eine klare Empfehlung muss hingegen für das später im Hotel genossene Distelhäuser Pils ausgesprochen werden.
F91 Diddeleng vs. FC Déifferdeng 03
Am nächsten Tag zieht es mich ca. 200 km weiter westlich ins Großherzogtum Luxemburg. Für diese vergleichsweise kurze Strecke ergibt sich nicht nur eine erkleckliche Reisedauer von etwa 6 1/2h, sondern auch beträchtlicher Spaß bei der Buchung. Die DB-App spuckt mir zwar eine Verbindung raus, lässt mich diese aber nicht buchen, weil die letzten zwei Teilstücke (Luxembourg → Bettembourg und Bettembourg → Dudelange) komplett im Ausland liegen. Also werde ich nach dem Frühstück gegen 10 Uhr im DB-Reisezentrum vorstellig. Meine präferierte Verbindung kenne ich ja bereits, Abfahrt ab Sinsheim um 10.49, Ankunft in Dudelange um 17:18. So habe ich noch zwei Stunden Puffer bis zum Anstoß um 19:30. Alleine, so richtige weiterhelfen kann mir der gute Mann auch nicht („Wie heißt das? Dü-de-ling?“), immerhin kann ich aber schon mal bis nach Luxemburg-Stadt buchen.
Also mache ich es mir mit meinem Kaffee am Gleis gemütlich, als mein Blick auf die Anzeige fällt: meine S-Bahn nach Heidelberg fällt aus. Kurzer Check, was das heißt, macht klar: aus einer Stunde Verspätung jetzt werden später zwei. Neue geschätzte Ankunftszeit: 19:18 Uhr. Bye bye Puffer. Selbstverständlich sieht mich der nette DB-Mitarbeiter noch mal wieder, um mein Ticket umzuschreiben, danach geht die Reise los. Ständig die Uhr im Blick, und draußen schüttet es dazu. In Sinsheim, in Heidelberg, in Mannheim und Saarbrücken. Erstaunlicherweise klappt aber jetzt alles, die Anschlüsse werden erreicht, in Luxemburg-Stadt muss ich für den Bus noch nicht einmal bezahlen und für weitere 2 Euronen gelange ich von Bettembourg nach Dudelange. Dies sogar mit einer früheren Verbindung als ursprünglich gedacht, sodass ich sogar vor Spielbeginn noch im Hotel einchecken kann. Entspannt geht es zum Ground, und der ganze Stress fällt ab. Passend zu meiner Stimmung kommt jetzt auch die Sonne wieder durch.
Der definitive Highlightmoment auf dieser Tour: den ganzen Tag unterwegs gewesen, immer in der Sorge, es könnte doch noch was schiefgehen. Es gibt Menschen, die sagen, das Glück der Erde liege auf dem Rücken eines Pferdes. Ich sage, nach einem solchen Sch...tag mit Bier und Wurst in Händen auf den Strehtraversen des Stade Jos Nosbaum den Sonnenuntergang zu genießen ist zumindest nicht weit weg ;)
Bohemian Football Club Dublin vs. Derry City Football Club
Zwischen Nichtaufstieg und dem Studienabschluss sollte es noch einmal raus aus der norddeutschen Tiefebene gehen. Irgendwelche Testländerspiele waren aber keine Option, sodass der Matchkalender nur noch einige Ligen ausspuckte, die kurz vor dem Hochsommer ihre Teams noch auf das Grün schickten. Dazu zählte auch der Fußballverband der „grünen Insel“. Da musste nicht lange überlegt werden, dieser Länderpunkt war noch nicht eingetütet worden und dank der zahlreichen Ryanair-Flüge ab Fuhlsbüttel flog die Airline natürlich auch ihre eigene Homebase Dublin an. Die Preise waren noch verbraucherfreundlich, da wurde schnell zugegriffen.
In etwa 120 Minuten ging es von Hamburg Richtung Irland, vom Flughafen, wo es von Ryanair-Bombern nur so wimmelte, brachte uns der grüne Doppeldeckerbus in doch relativ langen 60 Minuten vom Airport zum östlichen Teil der Innenstadt. Unser Domizil lag zwei Minuten vom Bahnhof Heuston entfernt. Da wir erst relativ spät gebucht hatten, durfte man ein paar Euro mehr für das Hostelbett berappen, da für gab’s auch ein eigenes Bad. Irgendwie auch kein Wunder, ist die irische Hauptstadt doch im Sommer ziemlich überlaufen, das hatten wir schon im Bus durch die City bemerkt. Dankenswerterweise gab es quasi vor unserem Hostel eine Tramstation, mit der man in fünf Minuten ins Stadtzentrum gelangen konnte.
Genau das machte eigentlich einen ganz coolen Eindruck, Pubs an jeder Ecke, die typischen Tourishops und Ketten waren auch zu finden, da bevorzugten wir dann aber doch eher den kleinen Imbiss und die Portion Fish’n’chips.
Auch bei Tag sah der Temple Bar District nicht uninteressant aus, dieser sollte uns aber an beiden Abenden nicht sehen, da die Getränke doch etwas sehr über dem Studentenbudget lagen und man dieses Jahr auch noch in anderen Ländern zulangen wollte.
Die Zugangsberechtigung gab es für einen Zehner, in dieser war im Übrigen auch der Eintritt zu beiden Pubs unterhalb der Haupttribüne enthalten, sodass die Getränkezufuhr bis zum Anpfiff schon einmal gesichert war. Von den Iren wurde man sogleich ausgefragt, woher man denn komme und es ergaben sich ein paar nette Gespräche.
Kulinarisch gab es in einer Stadionecke den üblichen Schmierburger, Fries und Pies. Nicht schlecht, das hatten wir uns ebenso ausgemalt. Beim Essen konnten wir zum ersten Mal sehen, welche Perle von Stadion da doch vor einem lag. Neben der relativ modernen Haupttribüne waren die restlichen Stehplatzbereiche verrottet und für den Zuschauer nicht zugänglich. Die Gegengerade hörte auf Höhe der Mittellinie sogar komplett auf und machte Platz für einen Parkplatz, von dem man das Spiel problemlos auch hätte verfolgen können. Der Bohemian FC trägt hier seit über 100 Jahren seine Heimspiele aus, lange war das Stadion die wichtigste Spielstätte des Landes.
Estadio Luis Pérez Lozano, 2. April 2018, Endstand: 3:2
Die Fußballmeisterschaft Kubas wurde in den letzten Jahren jeweils in der ersten Jahreshälfte ausgetragen. Mit dieser Erkenntnis ausgestattet konnten Ende 2017 die Flüge gebucht und auf die Terminierung der Spiele gewartet werden. Nur knapp zwei Wochen vor Abflug wurden dann endlich die Ansetzungen der „Zweiten Runde“ des Campeonato Nacional de Fútbol de Cuba bekannt gegeben. Da die Spiele der ersten beiden Runden auf vom Verband bestimmten Plätzen stattfinden und erst ab der ab dem 28.04. ausgespielten Finalrunde im „eigenen“ Stadion gespielt wird, mussten nur noch die Spielorte für den anvisierten Spieltag ermittelt werden. Mario vom futbol-cubano-Blog (LINK) war dabei eine zuverlässige Quelle. Sehr hilfreich war auch Marco Pellegrino von “Free Tour Havana” (LINK), der sich die von uns ins Auge gefasste Partie telefonisch beim INDER (Instituto Nacional de Deportes Educación Física y Recreación) bestätigen lassen konnte. INDER scheint bei Ansetzungsfragen auch ein zuverlässigerer Ansprechpartner als der nationale Fußballverband Asociación de Fútbol de Cuba.
Am Spieltag selbst musste noch eine Strecke von knapp 400 km von Viñales nach Cienfuegos hinter sich gebracht werden. Dies klappte zum Glück reibungslos und so konnte unsere Unterkunft in Stadionnähe entspannt bezogen werden. Da es bei der Anstoßzeit noch eine kleine Unstimmigkeit gab (lt. Kontaktmann Mario 15:00, lt. INDER 15:30) begaben wir uns gegen 14:00 zum Estadio Luis Pérez Lozano. Von Spielern war noch nix zu sehen, aber immerhin waren Tornetze und Eckfahnen vorhanden. Ein paar im Schatten der Tribüne gammelnde Jugendliche bestätigten dann das Nachmittagsspiel. So konnten wir noch ‘ne kleine Runde drehen und am wesentlich größeren Baseballstadion vorbeischauen.
Bei unserer Rückkehr hatte es sich dann auch schon die Mannschaft von Pinar del Río unter dem Wellblechdach gemütlich gemacht und so langsam stellte sich das gute Gefühl ein, dass es mit dem Länderpunkt – nach über einem Jahr Vorbereitung/Planung – tatsächlich klappen sollte.
Der Anpfiff ertönte dann gegen 15:57 und es entwickelte sich ein recht munteres Spiel auf dem (kaum vorhandenen) Rasen. Nach ca. 10 Minuten fiel der umjubelte Führungstreffer für die als Auswärtsmannschaft im heimischen Stadion angetretene Elf aus Cienfuegos. Während der ersten Hälfte trudelten immer mehr Zuschauer ein und konnte noch vor der Pause das 0:2 bejubeln. Zur Halbzeit hatten es ca. 350 Personen auf die Tribüne geschafft und die ein oder andere mitgebrachte Lautsprecherbox sorgte für die musikalische Untermalung des sonnigen Nachmittags. Ein paar fliegende Händler verkauften Cracker und Popcorn. Den Rum brachte jeder selbst mit. ;)
Nach Wiederanpfiff durfte ein schöner Bock des Torwarts von Cienfuegos zum 1:2 begutachtet werden. Kurze Zeit später ein starker Kopfball zum 2:2-Ausgleich. Aber auch Freunde der rustikalen Gangart kamen auf ihre Kosten. So wurde zum Beispiel ein Spieler von Cienfuegos an der Eckfahne nach allen Regeln der Kunst umgemäht – was natürlich eine schöne Pöbelarie des Publikums nach sich zog. Der Übeltäter sah in dem Fall nur die gelbe Karte. Pinar del Río war jetzt besser im Spiel und konnte mehr Chancen kreieren. Die Grünen aus dem Westen des Landes konnten, nachdem der Assistent kein Abseits anzeigt, den Torwart von Cienfuegos ausspielen und zum 3:2 einnetzen. Kurz vor Schluss noch die große Chance zum Ausgleich, die knapp vergeben wurde. Nach Abpfiff klatschten die Mannschaften freundschaftlich ab und Pinar del Río konnte - nach ein paar Jahren in der Zweitklassigkeit - den Einzug in die Finalrunde feiern.
Wie urlaubt es sich sonst so auf der sozialistischen Insel in der Karibik? Sämtliche Unterkünfte der Tour wurden vorab über Airbnb gebucht. Das wäre nicht zwangsläufig nötig gewesen, da vor Ort genügend casas particulares vorhanden sind, die zum Beispiel am Flughafen oder den Busbahnhöfen angepriesen werden. Auch kann ein Gastgeber Anschlussunterkünfte in beinahe jeder anderen Stadt vermitteln. Die Vorabbuchung hat natürlich den Vorteil, dass man sich die Wohnung vorher auf Fotos anschauen und die Lage in der Stadt berücksichtigen kann. Inkl. Gebühren sind wir bei 14 Übernachtungen bei einem durchschnittlichen Zimmerpreis von 24,90 € pro Nacht gelandet.
In den casas kann man sich Frühstück (5,- CUC/Person; 1 CUC = 1 US-$), welches meist aus frischen Früchten und Säften, Brot und Rührei besteht, ordern und auch abends kann man sich bekochen lassen. In der Regel hat man dann für 10,- CUC pro Person die Auswahl zwischen Huhn, Schwein, Fisch und Hummer. Dazu gibt es immer Salat und Reis mit Bohnen. Aber natürlich hat auch auf Kuba jede Hausfrau ihre eigenen Rezepte und so variieren die Beilagen (z. B. Maniok/Yuca, Kartoffeln, Bananenchips, Süßkartoffeln) von casa zu casa. Einfachere Snacks wie Sandwich oder Pizza sind unterwegs meist ab 1,- CUC aufwärts zu haben.
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